Die Lehman-Brothers-Band-Story

Wie kommt der Blues nach Bielefeld?  Uli und ich (als die beiden dienstältesten Musiker der Band) haben uns ca. 2008 / 2009 auf einer Blues Session in der Musik-Kneipe 'Augustus' beim Jammen kennengelernt. (So ähnlich haben wir dann auch Jahre später zusammen Florian kennengelernt).

Blues ist eine Sehnsuchts-Musik, die einen sofort ins Herz trifft. Klingt auf dem Papier vielleicht banal – fühlt sich aber alles andere als banal an, wenn es einem geschieht, wenn man reingezogen wird in das ominöse musikalische Geschehen.

Das galt, wie wir aus Berichten erfahren, so für die Ersten, die – ohne zu wissen, was sie da hörten – um 1900 herum den Blues auf den Feldern von Mississippi hörten und nie vergessen konnten. Das galt vergleichbar auch für die befremdlichen nächtlichen musikalischen Zeremonien, die in New Orleans auf dem Congo Square abgehalten wurden von Afroamerikanern - zu einer Zeit, als im Rest der US-Südstaaten das Trommeln noch eine verbotene Form der Nachrichtenübermittlung war.

Und es gilt erstaunlicherweise nicht anders auch heute im ostwestfälischen Bielefeld. Eine vollkommen durchschnittliche Stadt, in der man aufwachsen kann; Hippie-Platten seiner älteren Geschwister hören; in den Bunker Ulmenwall gehen und dort Jazz und Blues live hören; selber in Bands rumprobieren; und den Blues bekommen kann. Da gibt es seit vielen Jahren eine lebendige Session-Szene, die auch im Austausch mit vielen anderen Städten des norddeutschen Raums steht. Da gibt es seit den 80ern auch die Extra Blues Bar, in der die Lehmans dann später jahrelang Stammgäste auf der Bühne waren. Und an unzählig vielen anderen Orten haben Andere anscheinend ähnliche Erfahrungen gemacht.

Die Musik ergreift einen, so oder so, unmittelbar – ob alt oder jung, arm oder reich, hellhäutig oder dunkel, deutsch oder amerikanisch. Damals in den Südstaaten der USA waren es Randgänger der Gesellschaft, als Afroamerikaner ohnehin schon Underdogs, als Blues-Musiker doppelt. Fahrende Einzelgänger zumeist, die sich einen kleinen Freiraum erspielten, geächtet, bewundert, auch gefürchtet. Die ihre Alltagserfahrungen in Songs gegossen haben, - so armselig, dreckig, diskriminiert, authentisch und großartig wie ihr Leben auf der Straße.

Aber die Sprache des Blues ist universell - Blues ist die magische Essenz, die uns den Soundtrack unseres Zeitalters geliefert hat, den emotionalen Drive der verschiedensten Stile von Jazz bis Rock und Pop. Unser aller Lebensgefühl wäre ein anderes, ärmeres ohne den Blues, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.

Die Besetzung der Lehman Brothers Band hat über die Jahre gewechselt, geblieben ist der Grundton, der Blues. Verstärkt hat sich der Wille, dem Blues eine zeitgemäße, zugängliche Form zu geben. Mit neuen Bandmitgliedern kommen auch neue Einflüsse in die Band – Michael sorgt ja als Drummer schon lange für die Groove-Grundlage; mit Florian an den Keys und Anna am Gesang haben wir in den letzten Jahren im Wesentlichen ein ganz neues Programm erarbeitet, zu dem die beiden einen großen Teil beigetragen und der Band damit einen neuen Stempel aufgedrückt haben. Ob mehr soulig, ob mehr am heutigen Groove orientiert - wir Lehmans möchten nach wie vor den Blues - diese Essenz der populären Musik - zelebrieren.

Sicher sind es heute andere Dinge, die uns den Blues geben, als etwa bei den Afroamerikanern vor hundert Jahren (oder doch nicht so ganz andere?). Immer noch hat der Drive des Blues die Kraft, deprimierende und oppressive Lebensverhältnisse zu transformieren in positive Energie und Lebensfreude. Der Zusammenbruch der Lehman Brothers Bank 2008 mag als Symbol stehen für Vieles, was heute falsch läuft – für Vieles, was uns heute den Blues gibt, hinsichtlich Gesellschaft, Politik, und Umwelt. Doch der Blues ist eben beides – Krankheit und Heilung zugleich. Feiern wir ihn zusammen, und kommen wir zusammen in Bewegung!

(Peter U. Lehman, 2019)